Rechtsradikalismus und Glaube sind unvereinbar

Veröffentlicht von BGRE am

Katrin Göring-Eckardt

Pressefoto KGE: idea/Thomas Kretschel

Unter diesem Titel schrieb das Freie Wort über eine Diskussion, zu der auf Initiative unseres Bündnisses die evangelische Kirche am 11. Januar 2011 in das Arnstädter Gemeindehaus die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt eingeladen hatte.
Im folgenden der Artikel aus dem FreienWort vom 13.01.2011:

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) stellte sich in Arnstadt der Diskussion zum Thema des zunehmenden Rechtsextremismus in der deutschen Gesellschaft.

Arnstadt – In Arnstadt hatte sich Katrin Göring-Eckardt zunächst zwar verfahren, ihre Worte im Gemeindehaus der evangelischen Kirche waren dafür umso direkter. Die Spitzenpolitikerin und Präses der Synode der evangelischen Kirche Deutschland war gekommen, um über das Thema Rechtsextremismus und -populismus zu sprechen.

“Jede Woche findet eine rechtsextreme Straftat statt, aber das ist nur die Spitze des Eisberges”, erklärte sie. Entsprechendes Gedankengut verbreite sich immer weiter in der Gesellschaft. Etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung wünsche sich eine starke Führungspersönlichkeit, habe eine Studie gezeigt. Die Bundestagsvizepräsidentin selbst erfuhr als Reaktion auf den Auftritt in einer Fernsehtalkshow, in der sie sich deutlich gegen die Thesen Sarrazins aussprach, zahlreiche Hass-Mails mit rechtsradikalen Parolen, etliche kamen auch von Christen. “Die Zunahme von rechtsextremen Einstellungen macht leider auch vor Kirchentüren nicht halt”, so Göring-Eckardt. Doch christlicher Glaube sei damit nicht vereinbar. “Die von Gott geschenkte Würde gilt allen Menschen auf gleiche Weise”, betonte sie. Rassistische und sexistische Vorstellungen hätten in der Kirche keinen Platz. Das gelte auch für Arnstadt: Hier müsse man “zunächst an den Bürgermeister denken”, sagte sie, aber auch an “rechtsextreme Parteitage in der Region.” Da seien die Christen und alle anderen Bürger gefragt, die Zusammenhänge zu hinterfragen und den rechtsextremen Bemühungen etwas entgegenzustellen. “Wir müssen Bürger aufklären, damit wir in Freiheit leben können”, so Göring-Eckardt. Das ganze könne einen nicht ruhig lassen.

Einer deutschen Leitkultur erteilte Göring-Eckardt eine klare Absage. “Wer will das verordnen, was Leitkultur ist?”, fragte sie. Kultur entwickele sich und sie sei schließlich dafür auf die Straße gegangen, dafür, dass sie sich nicht wieder der Leitkultur eines anderen beugen müsse. “Der nächste ist immer auch der andere”, betonte sie, nicht nur der “der so ist, wie ich.”

Etwas schleppend kam dann die Diskussion mit knapp 50 Zuhörern in Gang, verlief aber doch recht angeregt eine runde Stunde lang. Hier interessierte zunächst, wie das Buch von Thilo Sarrazin so ein Erfolg sein konnte, landete aber bald wieder bei Bürgermeister Hans-Christian Köllmer und seinem Engagement für Pro Deutschland. “Wie schätzen Sie die Chancen ein?”, wollte SPD-Stadtrat Christian Hühn wissen.

Auf Dauer, so die Antwort, habe bisher zwar noch keine rechtspopulistische Partei Fuß gefasst in Deutschland, aber sie haben es immer wieder versucht. “Man darf das nicht unterschätzen”, so Göring-Eckardt. “Wahrscheinlich und hoffentlich werden wir es schaffen, sie bundesweit klein zu halten.”

Ihr Rat an die Arnstädter, wie mit rechtspopulistischen Meinungsmachern umzugehen sei: “Man wird um eine Polarisierung nicht herumkommen.” Gesprächsbereitschaft müsse zwar bestehen bleiben, um “mit denen, die noch nicht ganz verloren sind, zu diskutieren”, aber man müsse sich auch abgrenzen. “Zu sagen, du bist ja eigentlich ein guter Mensch, reicht nicht.”

“Menschen in unseren Dörfern kennen oft keine Ausländer”, berichtete Jürgen Friedrich. Der ehemalige Marienstift-Direktor ist Mitglied der Thüringer Härtefallkommission für Asylbewerber. “Menschen, die eine Duldung haben, dürfen in den meisten Fällen nicht arbeiten. Das Argument, Ausländer nehmen uns die Arbeit weg, funktioniert also nicht”, sagte er. Man müsste viel Aufklärungsarbeit leisten, um Ängste abzubauen. Schwierig sei auch die Frage, wie gehe man mit Rechtsextremen um, die in Vereine und Verbände drängen. “Wer macht die Gewissensprüfung?”, fragte er.

“Warum tut sich die Regierung so schwer, rechtsradikale Parteien zu verbieten?”, war eine weitere Frage. Mit der KPD habe man sich einst nicht so schwer getan. “Die Frage, was das Verbot bringt, muss man immer wieder in guter Abwägung diskutieren”, antwortete Göring-Eckardt, die einst Befürworterin des Verbotsverfahrens war. Wenn drei staatliche Organe dies nicht schafften, sei sie skeptisch. Mittlerweile sei aber auch zu fragen “Hilft es weiter?” Ihre Sorge sei auch, ein Märtyrertum zu schaffen. Dass man sie nicht wolle, könne man auch anders sagen.

“Noch viel Diskussionsbedarf”, sah am Ende “Gastgeber” Pfarrer Horst Laube. Er hoffe, dass in Arnstadt weiter darüber gesprochen werde. Das Gemeindehaus stünde dafür gern zur Verfügung. br